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Generalistik in der Pflegeausbildung. Fakten des VDAB e.V.

Auf den Punkt gebracht

Pflegeausbildung am Scheidepunkt

Mit dem Kabinettsentwurf der Bundesregierung zu einem neuen Pflegeberufereformgesetz steht die Pflegeausbildung in Deutschland an einem Scheidepunkt. Professionelle Pflege braucht ausreichend qualifiziertes Personal. In Zukunft mehr denn je. Denn die demografische Entwicklung lässt einen enormen Handlungsbedarf in der Versorgung Pflegebedürftiger entstehen. Schon heute fehlen Pflegekräfte. Bis 2060 werden 783.000 zusätzliche Pflegekräfte erforderlich. Weil die Schwer- und Schwerstpflegebedürftigkeit zunimmt, werden besonders höher qualifizierte Pflegekräfte benötigt.

Ende des Jobmotor Nr. 1?

Die Bundesregierung schießt mit der Absicht, die bestehenden Ausbildungen der Kranken-, Kinderkranken- und Altenpflege in eine einzige generalistische Pflegeausbildung zu überführen, weit am Ziel vorbei, dem Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen. Sie macht aus einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe – der Versorgungssicherheit für Pflegebedürftige – ein gesetzgeberisches Experimentierfeld. Während dieses auf rein bildungsideologischem Aktionismus fußt, haben es die verschiedenen Partner der Qualifizierungs- und Ausbildungsoffensive bis Ende 2015 geschafft, die Ausbildungszahlen in der Altenpflege deutlich zu steigern. Laut Arbeitsmarktbericht vom Juni 2016 der Bundesagentur für Arbeit sind im Zeitraum von April 2015 bis April 2016 von insgesamt 681.400 neuen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten 111.000 Beschäftigte dem Bereich „Pflege und Soziales“ zuzurechnen. Damit lässt die Branche mit einem Plus von 5,3 Prozent alle anderen Branchen hinter sich und ist zum führenden Jobmotor geworden.

Die Folge der Generalistik: Abbau von Ausbildungsstellen

Die Generalistik torpediert die Ergebnisse der Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive. Denn mit der Einheitsausbildung ohne Spezialisierung erreicht man zwar Durchlässigkeit. Aber eben auch um jeden Preis. Beispielsweise lässt man die persönliche Motivation, sich für einen der spezialisierten Pflegeberufe zu entscheiden, völlig außer Acht. Die „Pflegefachfrau“ bzw. der „Pflegefachmann“ muss zukünftig alles machen. Und zwar gleich gut. Die Ausbildungsinhalte werden komplexer, eine wohnortnahe Ausbildung durch eine Vielzahl an Praktika in anderen wohnortfernen Institutionen nur noch eingeschränkt möglich. Auf dieser Basis ist mit einer Steigerung der Abbrecherquoten um 10 Prozent zu rechnen. Des Weiteren wird die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich zurückgehen. Aufgrund der Finanzierungslücke rechnet beispielsweise die Hans-Weinberger-Akademie mit dem Wegfall von 24.000 Ausbildungsstellen.

Auf Kosten von Bindung und Berufsfähigkeit

Die generalistische Pflegeausbildung geht auf Kosten von Bindung und Berufsfähigkeit. Die neue Pflegeausbildung bewirkt eine deutlich reduzierte Auszubildendenbindung durch abnehmende Präsenzzeiten im Ausbildungsbetrieb. Damit wird ein Hauptvorteil der dualen Ausbildung aufgegeben: das Lernen im Arbeits- und Geschäftsprozess mit hoher Bindung der Auszubildenden an ihre Ausbildungsbetriebe.

„Grau ist alle Theorie“: Wichtigster kompetenzbildender Lernort ist der Ausbildungsbetrieb. Die generalistische Pflegeausbildung reduziert Bindung und Berufsfähigkeit von Nachwuchskräften.  © VDAB e.V.
Spezialisierung vs. Basisqualifizierung: Der Wegfall notwendiger Spezialkenntnisse in der Basisqualifizierung steht im deutlichen Widerspruch zu den steigenden Anforderungen in der Altenpflege.  © VDAB e.V.

Rumpfausgebildete statt Spezialisten

Die Verkürzung der Praxiszeiten pro Praxisort wird sich vor allem auf die Langzeitpflege negativ auswirken. Langzeitpflege kann nur über längere Zeiträume erfahren werden – und sie erfordert allgemein personelle Kontinuität und besonders bei Menschen mit Demenz. Eine Verkürzung der Praxiseinsatzzeiten konterkariert diese Notwendigkeiten und destabilisiert die Lebenssituation alter Menschen. Überhaupt wird die notwendige Spezialisierung nach dem Plan der Bundesregierung durch Basisqualifizierung ersetzt: Altenpflege, Krankenpflege und Kinderkrankenpflege sind heute drei Ausbildungsberufe, die jeweils in drei Jahren erlernt werden. Künftig sollen alle drei Ausbildungen zu einer Basisqualifizierung zusammengeführt werden, die ebenfalls drei Jahre umfasst.

Ausbildung wird zum Balanceakt

Gleichzeitig stellt sich die dringende Frage, wer es sich aus der professionellen Altenpflege zukünftig noch leisten kann, auszubilden. Denn mit der Reform steigen die Aufwendungen potenzieller Ausbildungsbetriebe bei gleichzeitig abnehmendem Nutzen durch die fehlende Tuchfühlung zum Azubi. Dabei übernehmen Ausbildungsbetriebe eine wichtige Funktion: Sie sorgen dafür, die praktische Ausbildung „in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert so durchzuführen, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Ausbildungszeit erreicht werden kann“ (§ 15 Absatz 1 Nummer 1 AltPflG). Das übergeordnete Ziel: berufliche Handlungsfähigkeit. Die Frage ist, wie dies durch Einrichtungen der Altenpflege, allen voran die ambulanten Dienste, angesichts der steigenden organisatorischen und inhaltlichen Anforderungen, überhaupt sichergestellt werden kann.

Unter dem Strich

Die geplante Ausbildungsreform der Bundesregierung wird dem derzeitigen und dem zukünftigen Bedarf in der Altenpflege nicht gerecht. Sie vergrößert den bestehenden Fachkräftemangel und damit die Schwierigkeiten für Einrichtungen, ausreichend Personal zur Versorgung Pflegebedürftiger zu finden. Außerdem opfert sie eine notwendige und über Jahre gewachsene Fach- und Spezialisierungstiefe zugunsten von bildungsideologischem Aktionismus. 

Diese Fakten-Sammlung zum Download

Auf-den-Punkt-gebracht-Generalistik.pdf

Die geplante Ausbildungsreform der Bundesregierung wird dem derzeitigen und dem zukünftigen Bedarf in der Altenpflege nicht gerecht. Lesen Sie mehr über die Gründe.

01.11.2016 | 80 KB

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